Wie lange bleibt ein guter Single Malt Scotch Whisky in einer geöffneten Flasche genießbar? Kann Whisky sein Aroma verlieren? Immer wieder wird auf das Problem der abnehmenden Genießbarkeit geöffneter Flaschen hingewiesen. Als Abhilfe wird u.a. empfohlen, durch Umfüllen in kleinere Flaschen oder durch Auffüllen z.B. mit Glasmurmeln den Lufteinfluss zu verringern. Dieses Problem und diese Vorschläge wollte ich gern überprüfen, schließlich habe ich in meiner Whisky-Bar ständig mehr als 60 Single Malts. Wie lange kann ich diese meinen Gästen bedenkenlos anbieten? Wann soll ich um- oder auffüllen?
Um das zu klären habe ich im November 2019 mein Experiment zur Haltbarkeit geöffneter Whiskyflaschen begonnen. Dazu hatte ich einen Clynelish, 18 Jahre alt, 55,4 % als Testflasche ausgewählt. Davon habe ich die Hälfte in eine leere Flasche umgefüllt und mit Kieselsteinen aufgefüllt. Das war meine Referenzflasche.
Kann Whisky sein Aroma verlieren? Das Experiment
Nach einem Jahr habe ich beide verkostet. Ergebnis: die Kieselsteine führten zu einer leichten Trübung, der Alkoholgehalt war bei beiden um etwa einen Prozentpunkt gefallen, aber beide Whiskys hatten ihr Aroma gehalten, für mich war kein großer Unterschied riech- oder schmeckbar. (Bericht zum Jahrestag des Experiments „Halbvoll und doch aromastark!“ v. 17.11.2020). Also ein durchaus positives Ergebnis.
Nach zwei Jahren habe ich beide wieder verkostet und komme nun zu ganz anderen Ergebnissen:
Der Clynelish in der Originalflasche, nach zwei Verkostungen nur noch zu weniger als der Hälfte gefüllt, hat deutlich an Aromen, an Geschmack verloren. Alkoholische Schärfe dominiert, seine Frucht-, Toffee- und Vanillearomen, die ihn so ausgezeichnet hatten, sind deutlich in den Hintergrund getreten. Er schmeckt flach, diesen kann ich keinem Gast mehr anbieten. Der Whisky in der mit Kieselsteinen aufgefüllte Referenzflasche hingegen ist zwar trüb, aber immer noch fruchtig und schmeckt nach Pfirsich, Mango und Vanille, vielleicht nicht ganz mit der gleichen Intensität wie zwei Jahre zuvor, aber immer noch gut genießbar.
Fazit: Auch der Füllstand spielt eine Rolle
- ein Jahr in einer geöffneten Flasche hat das Whiskyaroma des hier getesteten Clynelish mit seinen 55,4% nicht beeinträchtigt
- das hat sich jedoch im zweiten Jahr grundlegend geändert; dabei spielte neben der Dauer offensichtlich auch der Füllstand eine große Rolle
- nach zwei Jahren in der geöffneten Flasche und bei einem Füllstand von weniger als 50% sind erhebliche Geschmacksverluste eingetreten
- das Auffüllen mit sauberen Kieselsteinchen hat den erhofften Effekt gebracht: der Lufteinfluss blieb gering, die Aromen blieben erhalten.
Aus diesem einmaligen Experiment lassen sich sicher keine allgemeingültigen Regeln ableiten. Zudem habe ich in meinem Bestand auch Whiskys, die älter als zwei Jahre sind und noch bedenkenlos verkostet werden können. Also werden ich künftig häufiger probieren, ob sich Geschmacksveränderungen andeuten. Und dann? Umfüllen in eine kleinere Flasche? Aber dann geht der schöne Anblick der Originalabfüllung mit dem – meist – wohl gestalteten Etikett verloren. Auffüllen mit Murmeln oder Steinen? Auch kein erhebender Anblick. Wahrscheinlich ist es besser, gezielt Flaschen, die zur Neige gehen, einfach mit Freunden auszutrinken. Mal schauen, was bei meinen Bargästen ankommt. Also: verkosten, im Einzelfall entscheiden, und im Zweifel einen neuen wunderbaren Single Malt Scotch Whisky kaufen!
Eine Frage beschäftigt mich noch: halten sich rauchige, torfige Whiskys in geöffneten Flaschen länger? Spannende Frage, deshalb werde ich dazu ein zweites Experiment starten. Bis dahin achte ich darauf, dass all die wunderbaren Single Malts in meiner Bar rechtzeitig in netter Runde genossen werden.
Darauf ein volles: Slainte Mhath!