Wie lange kann man eine geöffnete Flasche mit Single Malt Scotch Whisky ungetrübt genießen und seinen Gästen beim Whisky-Tasting anbieten? Um diese Frage zu klären, habe ich Anfang November 2019 mein Experiment zur Haltbarkeit von Whisky aus geöffneten Flaschen begonnen. (Beitrag „Kann ein offener Whisky noch begeistern?“ v. 1.11.2019).
Dazu hatte ich aus meinem Bestand einen Clynelish, 18 Jahre alt, 55,4 % als Testflasche ausgewählt. Davon hatte ich die Hälfte in eine leere Flasche umgefüllt und mit Kieselsteinen aufgefüllt. Das ist meine Referenzflasche.
Alle 6 Monate werde ich den Alkoholgehalt messen und den Whisky aus Test- und Referenzflasche verkosten und vergleichen. Im Mai war das erste halbe Jahr um, hier sind die ersten Messergebnisse.
Alkoholgehalt: Mit einem Alkoholmeter habe ich den Alkoholgehalt messen. Das Ergebnis war eine kleine Überraschung: in der Testflasche, die also nur noch halb voll war, lag der Alkoholgehalt bei 54 %, in der mit Steinen aufgefüllten Referenzflasche ‚nur‘ 53 %, also immerhin ein Prozentpunkt weniger. Ob Kieselsteine Alkoholfresser sind? Na, warten wir mal die weiteren Messergebnisse ab. – Beim Vergleich mit den ursprünglichen 55,4 % ist zu berücksichtigen, dass mein Alkoholmeter eine Fehlertoleranz von 1 Prozentpunkt aufweist, wie ich durch mehrere Messungen bei Whiskies unterschiedlicher Alkoholstärke festgestellt habe.
Dann habe ich aus Test- und Referenzflasche je einen double dram verkostet:
Farbe: Der Whisky aus der mit Steinen gefüllten Referenzflasche wies eine leichte Trübung gegenüber dem goldgelben Farbton der Testflasche aus. Was die Steine nicht alles bewirken!
Nase und Gaumen: bei beiden stiegen intensive Fruchtaromen, deutlich Pfirsich und Mango, in die Nase. Im Mund entwickelten sich bei beiden komplexe und süße Aromen von Pfirsich, Mango, Vanille und auch maritime Noten. Weiter hinten im Rachen wurden diese Aromen intensiver und kräftiger.
Abgang und Körper: auch das Finish war bei beiden nicht unterscheidbar. Der Abgang war jeweils lang und intensiv. Dieser Whisky hat Körper, ist kräftig und rund. Er ist in beiden Varianten ein gleicher Genuss.
Fazit: Nach nur einem halben Jahr lässt sich bei dem Whisky aus der geöffneten Flasche noch kein Geschmacksverlust feststellen. Die objektiven Daten zu Alkoholgehalt und Farbkonstanz sprechen für eine gute Haltbarkeit eines Whisky mit hohem Alkoholgehalt ohne besondere Maßnahmen gegen eine drohende Abflachung des Geschmacks. Bei der Variante mit Auffüllung durch Steine darf man gespannt sein, ob sich weitere Auswirkungen zeigen.
Diese ersten Messergebnisse decken sich mit gängigen Meinungen. Ein halbes Jahr Haltbarkeit wird einer geöffneten Flasche durchgängig attestiert. Erst danach empfehlen einige Experten den Einsatz von Glasmurmeln, Vacuumpumpen oder eben Steinen, um den Luftanteil in de Flasche zu reduziern. Also: warten wir die weiteren Tests ab. In einem halben Jahr werde ich wieder verkosten und berichten.
Bis dahin: Slainte Mhath!