Bei den Tastings an meiner Bar wird auch gerne diskutiert. Beim ersten Tasting mit schottischem Whisky nach der Sommerpause drehte sich das Gespräch vor allem um die beginnende Whiskysaison und Fragen zum Brexit.
Rudolf: Ah, ihr seid schon da. Guten Abend, Jungs.
Frank, Alfred, Willi: Guten Abend, Rudi!
Rudolf: Ah, du hast schon eingeschenkt!
Alfred: Ja klar! Der Sommer war ja lang und heiß, keine Jahreszeit für Whisky-Tastings. Aber jetzt ist es sehr herbstlich, also richtig für den ersten Whiskyabend. Und da dachte ich, starten wir mit einem Cardhu, 12 Jahre alt, 40 %. Ein wunderbarer Whisky zum Wiedereinstieg. Also: Slainte!
Rudolf, Frank, Willi: Slainte!
Rudolf: Ja, sehr gut. Ein bekannter Whisky in auffälliger Flasche. Und trotz der „nur“ 40 % riecht und schmeckt man Eiche und Vanille – unverkennbar schottischer Whisky.
Willi: Aah, und er hat auch ein schöne Süße, ich würd‘ sagen: ein bißchen schokoladig.
Frank: Und etwas nussig.
Willi: Nussig? Na gut.
Rudolf: Auf jeden Fall, ein guter Auftakt für ein Tasting. Was erwartet uns denn noch?
Alfred: Ja, ich habe gedacht, wir starten in den Herbst mit drei Highland Single Malts und drei peated Whiskies. Und jede Reihe startet mit 40 % und endet mit cask strength.
Frank: Ah, das hört sich vielversprechend an, da kommt doch Freude auf!
Alfred: Ja, der zweite ist ein Old Pulteney mit 46 %, nennt sich „Noss Head Lighthouse“. Slainte!
Willi: Wow, mmh, der ist ja schön fruchtig. Was schmecke ich? Irgendwie Zitrusfrucht.
Frank: Ja, auf jeden Fall etwas Orange. Und ein langer Abgang.
Rudolf: Aber sag‘ mal: Das ist ja ‚ne Liters-Flasche. Das ist aber ungewöhnlich, oder?
Alfred: Ja, stimmt, die habe ich auf der Rückfahrt von Schottland auf der Fähre gekauft. Da haben die günstige Angebote, wenn man 2 Flaschen kauft, und das sind meist Liters-Flaschen.
Willi: So, so, auf der Fähre. Und, kann man da unbegrenzt von diesen Angeboten Gebrauch machen?
Alfred: Wieso, Schottland gehört doch zur EU …
Rudolf: Ja – noch. Aber ihr wisst ja: der Brexit kommt, und zwar schon Ende März 2019!
Frank: Und dann? Was ändert sich denn dann für die Whisky-Ausfuhr?
Alfred: Tja, wer weiß das schon? Ich glaube, die Whisky-Produzenten sind auch „not amused about the Brexit“ und fürchten die Auswirkungen auf den Whisky-Export.
Rudolf: Drohen dann Ausführbeschränkungen, Zölle?
Willi: Was für ein Rückschritt! Es gibt aber doch immer mehr, die jetzt wach werden, die zweifeln, ob der Brexit wirklich gut für die Britten ist.
Rudolf: Also, die Schotten waren ja eh mehrheitlich dagegen.
Alfred: Genau, und darum unterstützen wir die Schotten und ihren Whisky. Hier kommt auch schon der nächste, ein Strathisla, 16 Jahre, abgefüllt mit 55,3 %, das ist cask strength.
Frank: Wow, das ist ja ein Hammer.
Willi: Ja, der hat alles was ein Single Malt braucht, und das sehr intensiv.
Rudolf: Vanille, Frucht, Aprikose, …
Frank: … und der lange Abgang.
Alfred: Toll, nicht wahr? Diese Flasche habe ich in der Distillery, also vor Ort gekauft. Ich sage euch: das ist die schönste Distille in Schottland. Beeindruckende Pagoden, toller Umgebung.
Willi: Aber noch mal zum Brexit: wenn sich schon die Meinung in Great Britain ändert, sollten die ja wohl eine neue Abstimmung machen.
Frank: Ach, das traut sich doch keiner zu beantragen, die Regierung ist zerstritten, die Opposition auch.
Rudolf: Die haben sich so verrannt, aus der Nummer finden die nicht mehr heraus. Da müsste schon – ja was weiß ich passieren.
Frank: Ich glaub‘, die gute Fee oder die kleine Hexe, die da noch mal Vernunft hineinzaubert, gibt es wirklich nur im Märchen.
Willi: Ja, die neuen Handelsverträge müssten alle verzaubern, sie müssten „Supercalifragilisticexpialigetisch“ sein, würde Mary Poppins sagen.
Rudolf: Ja, aber Theresa May ist nicht Mary Poppins.
Frank: Und wenn nach dem Brexit alles, also auch Whisky, teurer werden?
Rudolf: Nun, das ist schon zu befürchten! Und das wäre bestimmt nicht gut für Whisky-Exporte.
Alfred: Aber wer weiß, wenn Großbritannien nicht mehr zur EU gehört, dann gib es vielleicht auf den Fähren wieder richtige duty-free-shops mit steuerfreien, also preiswerten Angeboten.
Rudolf: Ja, aber das hilft ja nicht wirklich. Insgesamt würden viele Waren, also auch Whisky teurer.
Willi: Warten wir’s ab, oder besser: Let’s wait and drink – whisky!
Alfred: Genau, kommen wir jetzt zu den rauchigen Whiskies. Als erstes: ein Glen Moray, 40 %, Peated Single Malt.
Rudolf: Oh, das hätte ich nicht gedacht! Nur 40 %, aber schon richtig rauchig. Gut!
Alfred: Und nun folgt die Steigerung, ein Klassiker unter den rauchigen, der Lagavulin 16 Jahre, 43 %. Einer der bekanntesten Islay-Whiskies. Slainte!
Willi, Rudolf, Frank: Slainte!
Frank: Ja, der gehört zur Grundausstattung jeder Bar.
Alfred: Der Abschluss für heute ist ein Port Charlotte, und zwar der CC:01, 8 Jahre alt, heavily peated und Schlussreifung im Cognac-Fass, abgefüllt mit 57,8 %.
Willi: Welch‘ ein Abschluss! Ich gebe noch etwas Wasser dazu.
Alfred: Ja, das verträgt der gut!
Frank: Boh, der zweite herausragende Whisky heute. Starke, intensive Raucharomen, von der Zungenspitze bis zum Rachen.
Rudolf: Und Frucht, und etwas von dem Geist der Trauben und von der Cognac-Süße.
Rudolf: Brexit hin oder her: diese tollen Whiskies werden das überleben und uns auch in Zukunft erfreuen.
Alfred: Klar doch, in Schottland herrscht eigentlich Optimismus. Viele Distillerien erweitern ihre Kapazitäten oder werden neu gegründet. Also: Slainte mhath!
Willi, Rudolf, Frank: Echt? Na denn: Slainte mhath!