Bei den Tastings an meiner Bar wird auch gerne diskutiert. Nachdem vor kurzem der Trend zu mehr Abfüllungen ohne Altersangabe diskutiert wurde, ging es jetzt um die Frage, ob Alter für Qualität steht. Gilt also: je älter der Whisky – desto besser ist er? Los ging’s mit dem Wunsch nach einem alten Whisky.
Willi: So, Alfred, nun gib uns doch mal einen schönen, alten Whisky. Was hast du denn da zu bieten?
Rudolf: Ja, alte Whiskies sind doch bestimmt besser, reifer, gehaltvoller als junge, und wahrscheinlich auch teurer?
Alfred: Ja, schon, ich denke, grundsätzlich ist das auch so. Obwohl, man muss wie so oft im Leben genauer hinsehen. Aber jetzt erstmal der alte Whisky, Also: hier habe ich einen 21 Jahre alten Glenfarcles.
Willi: Wowh, das ist doch schon was. Und wieviel Prozent Alkohol hat der?
Alfred: Nun, der hat 43 %.
Willi: Hmh, das ist ja nicht viel …
Rudolf: Die wollten wohl aus den alten Fässern möglichst viel Whisky abfüllen und haben halt den Inhalt der Fässer gestreckt!
Alfred: Ja gut. Im Fass verdunstet halt viel Whisky, nach 21 Jahren fehlt also schon so etwa ein Drittel. Für eine Abfüllung in Fassstärke bleibt da also wenig übrig. Wird der Whisky unter Zugabe von Wasser auf 43 % gebracht, ist die Absatzmenge natürlich auch entsprechend höher.
Rudolf: Ja gut, wenn der Whisky das verträgt und auch mit 43 % noch kraftvoll genug ist, wenn er noch eine kräftige Nase hat, auf der Zunge intensive Aromen von Eiche und Vanille usw. und einen langen Abgang hat …
Willi: Ah, es spricht der Experte …
Rudolf: Ja nun, dafür machen wir ja diese Tastings: riechen und schmecken, Unterschiede feststellen, zwischen jungen und alten Whiskies, zwischen Whiskies mit wenig und viel Alkoholgehalt, Sherry-Fass gelagerte, torfige, …
Willi: Ist ja gut. Jetzt lass uns endlich diesen Glenfarcles verkosten!
Alfred: Genau. Also: Slainte!
Willi: Slainte!
Rudolf: Slainte!
Alfred: Nun, ich finde, der hat auch mit ‚nur‘ 43 % einen intensiven Geschmack.
Rudolf: Ja, finde ich auch. Die 21 Jahre im Fass haben diesem Whisky doch eine Menge Kraft und Charakter gegeben. Man schmeckt die Aromen von Eiche und Vanille und auch Fruchtaromen.
Willi: Und man riecht auch Nussaromen. Und ganz zum Schluss spürt man auch noch etwas Rauch. – Also man kann sagen: alt und gut! Der ist doch sicherlich auch teurer als die jüngeren Glenfarcles?
Alfred: Ja, klar. Dieser 21-jährige Glenfarcles liegt so bei rd. 75 € und damit ist damit deutlich teurer als die jüngeren Abfüllungen von Glenfarcles.
Willi: Das ist ja schon eine Menge Holz, (lacht) also nicht nur als Fass, sondern auch als Preis.
Rudolf: Also doch: je älter – desto teurer und desto besser?
Willi: So wie bei uns: mit dem Alter werden wir ruhiger, weiser, irgendwie reifer, …
Rudolf: Na, da gibt es aber genügend Beispiele in der Welt von älteren Mitmenschen, sogar in höchsten Positionen, bei denen das mit der zunehmenden Ruhe und Weisheit eher nicht zutrifft! Da verdunstet wohl auch ‚ne Menge, graue Zellen z.B.
Willi: Lass‘ mal gut sein. Schmecken und genießen wollen wir ja schließlich keine Mitmenschen, sondern Whisky.
Alfred: Genau. Und um jetzt auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Was für Glenfarcles gilt, gilt auch für viele andere Single Malts. Ob Balvenie, Balblair oder Glenmorangie, Bunnahabhain oder Laphroaig, für diese und viele andere gilt: je älter, desto teurer, aber eben auch desto geschmacksintensiver. Nur: es gibt eben auch die vielen, vergleichsweise jungen Abfüllungen und die schon diskutierten NAS-Whiskies, also ohne Altersangabe, es gibt hochprozentige oder in verschiedenen Fasstypen gelagerten, die trotz des geringen Alters intensive Aromen und halt auch ihren Preis haben.
Auch jüngere Distillerien wie Kilchoman, die ja erst vor rd. 10 Jahren gegründet wurden, haben tolle Whiskies auf den Markt gebracht. Und für einen 6-jährigen Loch Gorm von Kilchoman zahlt man auch über 70 €! Und wie ich finde: zu Recht.
Willi: Ok, ok. Jetzt lass uns mal zum Hauptzweck zurückkommen, zum Tasten. Also der Glenfarcles war schon richtig gut. Hast du noch einen guten alten Tropfen?
Alfred: Klar doch. Also dann lasst uns noch einen 24-jährigen Balblair, Vintage 1990 nehmen. Schön alt und einfach nur gut.
Willi und Rudolf: Ok. Na denn: Slainte mhath!